Vom Bauernhof zur Lebensmittelspende. Wie lässt sich das Potenzial der Vermeidung von Ernteverlusten zur Gewährleistung von Ernährungssicherheit maximieren?

Europäische Föderation der Lebensmittelbanken

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Zusammenfassung Inhalte & Ergebnisse
In der gesamten EU gehen jedes Jahr mindestens 5 Millionen Tonnen Lebensmittel nach der Ernte verloren, während sich ein wachsender Teil der Bevölkerung kein Obst und Gemüse leisten kann (Eurostat, 2022). Dieses Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage führt zu hoher Nahrungsmittelverschwendung bei gleichzeitiger Verschlechterung der Ernährungslage mit Auswirkungen auf die Gesundheit besonders gefährdeter Gruppen. Das Fachpodium analysierte die unterschiedlichen Facetten dieses Problems und tauschte sich über bewährte Verfahren aus.
Moderiert von Angela Frigo (Europäische Föderation der Lebensmittelbanken) begann das Fachpodium mit einer Einführung von Dr. Felicitas Schneider (Thünen-Institut). Auf dieser Grundlage baute die anschließende lebhafte Diskussion mit Chris Hill (FoodCloud), Eva Sali (Copa-Cogeca) und Adolfo Villafiorita (Shair.Tech) auf, die Einblicke in das Thema aus der Sicht von Lebensmittelbanken, Agrarsektor und Technologieanbietern bot. In ihrem Schlusswort nahm Rosa Rolle (FAO) dann die große Bedeutung vitaminreicher Produkte in Bezug auf menschliche Ernährung, Ernährungssicherung und Gesundheit sowie die Erreichung der VN-Nachhaltigkeitsziele in den Blick.
Obwohl außer Frage steht, dass Lebensmittelverluste vermieden werden müssen und menschlicher Verzehr die beste Verwendung von Überschussprodukten darstellt, legten die Sprecher einige Herausforderungen dar, mit denen sich die diversen Stakeholder konfrontiert sehen.
Die Primärerzeugung hat immer mit Unsicherheiten in Bezug auf Nachfrage, Wetter und Ernteerträge zu kämpfen und kann darüber hinaus durch unfaire Handelspraktiken und strenge Vermarktungsnormen beeinträchtigt werden, was dazu führt, dass größere Mengen von Erzeugnissen schon auf der Stufe des landwirtschaftlichen Betriebs hängen bleiben. Das Fehlen von Daten, einheitlichen Definitionen und konsequenten Messungen schränkt die Möglichkeiten ein, die tatsächliche Menge, die Art und den Ort der überschüssigen Lebensmittel zu ermitteln.
Darüber hinaus stellt die Logistik – d. h. die effiziente Ernte, Verpackung und Weiterverteilung frischer, leicht verderblicher Produkte bei kontinuierlicher Gewährleistung der Lebensmittelsicherheit – sowohl für die Landwirtinnen und Landwirte als auch für die Lebensmittelbanken eine große Herausforderung dar. All dies erfordert beträchtliche finanzielle Mittel, Arbeitskräfte und Zeit. Sowohl Erzeuger als auch Wohltätigkeitsorganisationen sind oft sehr daran interessiert, solche überschüssigen Produkte zu retten, können die zusätzlichen Kosten für Ressourcen aber kaum decken.
Es wurden vielfältige Ansätze ermittelt, wie diese Hürden überwunden werden können, so z. B. durch Maßnahmen in den Bereichen Sensibilisierung, Innovation, Technologie und Zusammenarbeit.
Die Tatsache anzuerkennen, dass es Überschüsse gibt, deren Gründe, Ausmaß und Umfang zu verstehen und dies dann eher als Chance denn als Versagen einzuordnen, kann der erste Schritt zur Vermeidung von Lebensmittelverlusten sein. Forschung und Datenerfassung wurden dabei als wesentlich erachtet. In diesem Sinne erscheinen technologische Lösungen vielversprechend, z. B. in Form von Web-Anwendungen, die Landwirtinnen und Landwirte, Lebensmittelbanken und lokale Wohltätigkeitsorganisationen direkt miteinander vernetzen und so eine effiziente Weiterverteilung der Überschüsse erleichtern. Damit ließe sich außerdem die positive Wirkung von Lebensmittelspenden in Bezug auf die Reduzierung von CO2-Emissionen und Ressourcenverschwendung quantifizieren.
Abgesehen davon, dass sie den Ernteprozess unterstützen, können Nachlesen das Problembewusstsein stärken, den Bezug zum Ursprung frischer Erzeugnisse wiederherstellen und den wahrgenommenen Wert frischer Erzeugnisse erhöhen – unabhängig davon, ob diese makellos oder z. B. krumm sind. Darüber hinaus stellen die Verarbeitung von suboptimalem, aber vollkommen sicherem Obst und Gemüse zur besseren Haltbarmachung oder die Umwandlung von Nebenerzeugnissen in Inhaltsstoffe zusätzliche Möglichkeiten der Werterhaltung dar.
Die Zusammenarbeit zwischen Akteuren der Lieferkette, mit der Weiterverteilung von Lebensmitteln beschäftigten Organisationen sowie öffentlichem und privatem Sektor ist entscheidend, um diese Maßnahmen unterstützen, Nahrungsmittelverluste vermeiden und die gesellschaftlichen, finanziellen und umweltbezogenen Vorteile der Weiterverteilung überschüssiger Erzeugnisse nutzen zu können.

Podiumsteilnehmer

Angela Frigo

Moderator
Generalsekretärin / Europäische Föderation der Lebensmittelbanken
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Angela Frigo arbeitet derzeit als Generalsekretärin bei der Europäischen Föderation der Lebensmittelbanken (European Food Banks Federation – FEBA), wo sie die Kernaufgabe und die Werte der Organisation fördert, eine zentrale Anlaufstelle für alle Interessenträger bietet und die Entwicklung von Kooperationsmöglichkeiten mit internationalen und europäischen Institutionen und Akteuren unterstützt. Sie vertritt die FEBA in mehreren Plattformen und Expertengruppen der Europäischen Kommission wie der EU-Plattform für Lebensmittelverluste und – verschwendung, dem Europäischen Mechanismus zur Krisenvorsorge und Krisenreaktion im Bereich der Ernährungssicherheit, der Beratergruppe für Nachhaltigkeit von Lebensmittelsystemen und der Europäischen Praxisgemeinschaft für Partnerschaften. Außerdem ist sie Expertin für spezifische Themen bei der Praxisgemeinschaft für materielle Unterstützung.

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Felicitas Schneider

Keynote-Speaker
Koordinatorin der Globalen Initiative gegen Lebensmittelverluste und -abfälle / Thünen-Institut für Marktanalyse
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Seit 2001 konzentriert sich Felicitas Schneider unter anderem auf die Entwicklung und Umsetzung nationaler Strategien zur Vermeidung von Lebensmittelverschwendung (food loss and waste, FLW), Definitionen, angewandter Methodik zur Messung und Überwachung sowie Folgenabschätzung von Maßnahmen entlang der Nahrungsmittellieferkette. Seit Juni 2017 arbeitet sie am Thünen-Institut für Marktanalyse des Bundesforschungsinstituts für Ländliche Räume, Wald und Fischerei. Sie ist Koordinatorin der Globalen Initiative gegen Lebensmittelverluste und -abfälle, managt die Globale Plattform für FLW-Experten und -Projekte und organisiert jährlich stattfindende regionale FLW-Workshops. Im Jahr 2022 unterstützte sie die Gründung des Ernährungsrates in Braunschweig/Deutschland. Sie vertritt das Thünen-Institut in verschiedenen Arbeitsgruppen und Gremien, wie z.B. ISO und der EU-Plattform für Lebensmittelverluste und -verschwendung, FAO und UNEP.

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Rosa Rolle

Keynote-Speaker
Leitende Beauftragte für Unternehmensentwicklung und Teamleiterin (Senior Enterprise Development Officer), Nahrungsmittelverschwendung und -verluste / Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO)
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Frau Rosa Rolle ist Senior Enterprise Development Officer in der Abteilung für Nahrungsmittel und Ernährung der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) in Rom und leitet dort ein Team zur Reduzierung von Nahrungsmittelverlusten und – verschwendung (FLW), um die Transformation von Ernährungssystemen zu unterstützen. Sie führt die Aufsicht über die Technische Plattform von FAO-G20-IFPRI zur Messung und Reduzierung der Nahrungsmittelverluste und -verschwendung und ist die technische Leiterin der weltweiten Sensibilisierungskampagne der FAO zur Reduzierung von Nahrungsmittelverlusten und -verschwendung, die im Rahmen des Internationalen Tags der Aufmerksamkeit für Nahrungsmittelverluste und -verschwendung begangen wird. Sie verfügt über umfangreiche Erfahrungen im Bereich der Entwicklung von Agrarindustrie- und Nacherntesystemen, um Nahrungsmittelverluste und – verschwendung zu reduzieren und den Wandel von Agrar- und Ernährungssystemen zu unterstützen. Sie engagiert sich aktiv beim Kapazitätsaufbau und in Initiativen auf Länderebene zur Verringerung von Nahrungsmittelverlusten und -verschwendung und ist Autorin/Mitautorin einer Reihe entwicklungsorientierter technischer Quellen in diesen Arbeitsbereichen sowie Forschungspublikationen. Sie verfügt über einen MSc-Abschluss sowie über einen Doktortitel in Lebensmittelwissenschaft von der Ohio State University, Columbus Ohio, USA.

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Chris Hill

Podiumsteilnehmer
Operations Director / FoodCloud
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Chris is FoodCloud’s Operations Director leading FoodCloud’s strategic development, day to day operations and teams spanning systems development, physical redistribution efforts across the supply chain including FoodCloud’s warehouse operations, charity and food business support and HR. Before joining FoodCloud 5 years ago, Chris led system and process development teams in the Tesco retail group including responsibility for Tesco’s food waste strategy. Chris has also spent time in retail and supply chain operations consultancy, whilst his family farming background helps to drive his passion in creating more circular food systems.

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Eva Sali

Podiumsteilnehmer
Leitende Politikberaterin / Copa-Cogeca
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Eva Sali ist leitende politische Beraterin für Lebens- und Futtermittelsicherheit, Qualität, Kennzeichnung und Absatzförderung bei Copa-Cogeca, einer landwirtschaftlichen Dachorganisation, die über 65 nationale landwirtschaftliche Verbände und Genossenschaften in Europa vertritt. Darüber hinaus ist sie für den Bereich Nahrungsmittelabfälle zuständig. Frau Sali hat einen Doktortitel in Internationaler Politik von der Fudan-Universität Shanghai (Shanghai, China) zu den Schnittstellen zwischen Ernährungssicherheit und internationaler Politik sowie einen MA in Internationalen Beziehungen und Diplomatie der EU vom College of Europe (Brügge, Belgien). Bevor sie 2021 zum Copa-Cogeca-Sekretariat in Brüssel kam, war sie als Pressereferentin für das Europäische Parlament tätig und betrieb Forschung zu den Themen Ressourcensicherheit, Großmachtpolitk und dem Nexus Wasser-Energie-Ernährung-Klimawandel. Sie stammt aus einer Olivenöl produzierenden Familie und hat jahrelang im griechischen Gaststättengewerbe gearbeitet.

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Adolfo Villafiorita

Podiumsteilnehmer
Mitbegründer / Shair.Tech
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Adolfo Villafiorita ist Mitbegründer von Shair.Tech, einem Start-Up-Unternehmen, das BringTheFood entwickelt, eine Web-App, die Lebensmitteltafeln hilft, überschüssige Nahrungsmittel zu sammeln. Zuvor war er als Forscher bei der Fondazione Bruno Kessler tätig, wo er eine Forschungsgruppe im IKT-Bereich für soziale und wirtschaftliche Entwicklung leitete. Mit einem Masterabschluss in Elektrotechnik und einem Doktortitel in künstlicher Intelligenz verfügt Adolfo Villafiorita über umfangreiche Erfahrung in der Entwicklung und dem Engineering von Software-Systemen sowie im Einsatz von Technologien zur Messung und Verwaltung von Nahrungsmittelüberschüssen.

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