Neue Anforderungen der Sorgfaltspflicht für Unternehmen im Agrar- und Ernährungssektor: Normdiffusion und Partner Uptake

Wissenschaftlicher Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz (WBAE)
OECD

Aktivierung erforderlich

Wir möchten Sie darauf hinweisen, dass nach der Aktivierung Ihre Daten an Youtube übermittelt werden.

Zusammenfassung Inhalte & Ergebnisse
LkSG, EUDR, CSDDD – es gibt viele Abkürzungen, die für Regelungen auf nationaler und auf EU-Ebene stehen, die die Verantwortlichkeit von Unternehmen in Einfuhrländern für ihre Lieferketten erweitern. In diesem Fachpodium diskutierten die Experten die möglichen Auswirkungen dieser Entwicklung auf den Handel swie die Menschenrechte und Arbeitsstandards entlang der Lieferketten und wie Unternehmen, Zulieferer und Produzenten an beiden Enden der Lieferkette darauf vorbereitet sind, mit diesen neuen Sorgfaltspflichten umzugehen.
Die Grundlage der Diskussion waren zwei kürzlich veröffentlichte Berichte zum Thema Sorgfaltspflicht-Regelungen im Bereich der Land- und Ernährungswirtschaft. Professor Christine Wieck eröffnete die Diskussion mit ihrem Impulsvortrag, in dem sie entscheidende Empfehlungen des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz am BMEL (WBAE) vorstellte. Die Forschungsgruppe hatte die neuen Regelungen aus einer multidisziplinären Perspektive analysiert und drei Empfehlungspakete entwickelt, die sie Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft Cem Özdemir im Dezember vorgestellt hatte. Anschließend gab Sophia Gnych vom OECD-Zentrum für verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln (RBC) dem Publikum eine Übersicht über die verpflichtenden und freiwilligen Maßnahmen der Sorgfaltspflicht in den G7. Ein wichtiges Ergebnis war, dass 63 % der Maßnahmen im Rahmen des OECD-Berichts erst in den vergangenen drei Jahren eingeführt wurden, was ein klares Indiz für eine Normendiffusion innerhalb der G7 in jüngerer Zeit darstellt.
im Anschluss an diese beiden Einblicke, gab das Fachpodium den folgenden Podiumsgästen Gelegenheit zum Austausch von Sichtweisen auf diese Ausweitung der Sorgfaltspflichts-Regelungen: Gunther Beger von der Abteilung für SDG-Innovation und Wirtschaftlichen Wandel der UNIDO, der zudem intensiv am Entwurf des deutschen Lieferketten-Gesetzes beteiligt war, Dr. Leonard Mizzi von der Europäischen Kommission, der Referatsleiter in der Generaldirektion für Internationale Partnerschaften und dabei für nachhaltige Landwirtschafts- und Ernährungssysteme sowie Fischerei verantwortlich ist, Dr. Bettina Rudloff von der Stiftung für Wissenschaft und Politik in Berlin (SWP), die mit ihrer wissenschaftlichen Expertise an der Schnittstelle zwischen Handel, Landwirtschaftspolitik und Außenpolitik am WBAE-Bericht mitgewirkt hatte, und Dr. Johannes Graf von Keyserlingk, der die Leitung der Abteilung Soziale Verantwortung der Unternehmen beim Handelsverband Deutschland inne hat.
Während der intensiven Diskussion, die von Prof. Achim Spiller moderiert wurde, wurden verschiedene Themen hervorgehoben, darunter das Risiko, dass Sorgfaltspflichten einen Bumerangeffekt entwickeln könnten, der sich durch negative Effekte auf Landwirtinnen und Landwirte am Anfang der Lieferkette auswirken könnte, obwohl die Verbesserung ihrer Situation eines der Hauptziele der Regelung ist. Um solche Risiken zu minimieren, müssen Unterstützungsmaßnahmen ergriffen werden. Die Initiative „Team Europe“, eine zwischen der Europäischen Kommission, den Niederlanden, Deutschland und Frankreich abgestimmte Maßnahme zur Unterstützung von produzierenden Ländern bei der Einhaltung der Verordnung zu entwaldungsfreien Lieferketten kann als Beispiel für solche Unterstützungsmaßnahmen dienen. Die Rolle von Zertifizierungssystemen als Instrument für Unternehmen, ihre Sorgfaltspflichten zu erfüllen, war ein weiteres Thema, das beim Publikum große Resonanz fand. In seinem Gutachten empfahl der Wissenschaftliche Beirat, dass Zertifizierungssystemen eine zentrale Rolle zukommen sollte, z. B. aufgrund der großen Zahl von Handelsbeziehungen, dass aber ihre Qualität zunächst verbessert und offiziell gewährleistet werden muss. Das Podium war sich einig, dass die anfängliche Einführungsphase solcher Regelungen als Lernphase aufgefasst werden solle, während derer Unternehmen kleinere Fehler erlaubt werden sollten. Ein partnerschaftlicher Ansatz zusammen mit den für die Umsetzung zuständigen Behörden wurde als entscheidend für diese Phase angesehen.

Quellen:
OECD (2024): Review of G7 Government-led Voluntary and Mandatory Due Diligence Measures for Sustainable Agri-food Supply Chains, OECD Publishing, Paris.

WBAE (2023): New due diligence requirements for companies in the agri-food sector: Recommendations on current legislative developments, Expert report, Berlin.

Podiumsteilnehmer

Christine Wieck

Keynote-Speaker
Mitglied und Hauptautorin / Scientific Advisory Board to the Federal Ministry of Food & Agriculture (WBAE) | University of Hohenheim
CV / Vita anzeigen

CV / Vita

Christine Wieck ist Professorin für Agrar- und Ernährungspolitik an der Universität Hohenheim. Ihre Forschungs -, Lehr- und Öffentlichkeitsarbeit konzentriert sich auf die quantitative und qualitative Analyse der Agrar- und Ernährungspolitik in einer globalisierten Welt mit besonderem Augenmerk auf die nachhaltige Transformation (Ökologisierung) des EU-Ernährungssystems und die Beziehungen zwischen der EU und Afrika in Agrar- und Ernährungsfragen. Bevor sie in die Wissenschaft zurückkehrte, arbeitete sie in den Jahren 2015-2018 für die Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) als Beraterin für Agrarhandelspolitik. Sie begann ihren beruflichen Werdegang im Agrarbereich mit einer Ausbildung zur Landwirtin und arbeitete mehrere Jahre in ökologischen Milcherzeugerbetrieben in Westdeutschland. Im Jahr 2020 wurde sie als Mitglied des wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft berufen. Von April 2018 bis März 2019 wurde sie in die Task Force „Ländliches Afrika“ berufen, einem unabhängigen Beratungsgremium von neun Experten, das der EU-Kommission Fachwissen, Beratung und Empfehlungen zur Weiterentwicklung der EU-Afrika-Beziehungen in Agrar- und Ernährungsfragen und zur Kohärenz der EU-Agrar -, Handels -, Umwelt -, Ländlichen Entwicklungs – und Entwicklungshilfepolitik zur Verfügung stellt. Zudem ist sie Mitglied des wissenschaftlichen Beirats beim Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft.

CV / Vita schließen

Sophia Gnych

Keynote-Speaker
Politikanalystin / OECD-Zentrum für verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln (RBC)
CV / Vita anzeigen

CV / Vita

Sophia Gnych ist Politikanalystin am OECD-Zentrum für verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln (RBC) und war eine der Hauptautoren der Überprüfung der von den G7-Regierungen getragenen Maßnahmen zur Erfüllung der Sorgfaltspflichten für landwirtschaftliche Lieferketten. Im OECD-Zentrum für RBC leitet Sophia Gnych die Tätigkeiten zu Sorgfaltspflichten und verantwortungsvollen landwirtschaftlichen Lieferketten. Sie verfügt über umfangreiche Erfahrungen im Bereich Politikmaßnahmen, Regulierung und Standards in der Agrar- und Forstwirtschaft, einschließlich freiwilliger Nachhaltigkeitsinitiativen und Zertifizierungen. Vor Aufnahme ihrer Tätigkeit an der OECD war Sophia Gnych für die Internationale Finanz-Corporation (IFC) in Indonesien tätig, die sich mit dem Zugang zu Technologien, Finanzen und Märkten für Kleinbäuerinnen und Kleinbauern beschäftigt und diese auf eine Zertifizierung vorbereitet. Ferner war sie mehrere Jahre für das CGIAR-Zentrum für Internationale Forstforschung tätig. Sie erforschte dort die Produktion von und den Handel mit tropischen Agrarrohstoffen sowie deren Umweltauswirkungen. Frau Gnych verfügt über einen Bachelor (BSc) in Biologie und einen Master-Abschluss in Globalen Umweltveränderungen und Umweltpolitik vom Imperial College in London.

CV / Vita schließen

Leonard Mizzi

Keynote-Speaker
Referatsleiter Nachhaltige Agrar- und Lebensmittelsysteme und Fischerei / European Commission
CV / Vita anzeigen

CV / Vita

Dr. Leonard Mizzi ist seit dem 1. Januar 2017 Referatsleiter bei der Europäischen Kommission, Generaldirektion (GD) Internationale Partnerschaften – Nachhaltige Agrar- und Lebensmittelsysteme und Fischerei. Zuvor war er 10 Jahre lang Referatsleiter in der GD Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, zunächst zuständig für Agrarhandel und Entwicklung (2007–2014). Er leitete von 2015–2016 das interinstitutionelle Referat für die Beziehungen zum Europäischen Parlament, zum Rat und zu den beratenden Gremien sowie für die Steuerung der Gruppen für den zivilen Dialog. Er hat ein Studium der Öffentlichen Verwaltung an der Universität Malta (BA Hons First Class) absolviert und verfügt über Abschlüsse des Internationalen Zentrums für agrarwissenschaftliche Studien im Mittelmeerraum – CIHEAM-Montpellier (Master of Science) sowie über einen Doktortitel in Agrarökonomie der Universität Reading (VK). Er ist Verfasser einer Vielzahl von Beiträgen und Veröffentlichungen zu Agrar- und Ernährungsthemen im Mittelmeerraum. Dr. Mizzi verfügt über eine umfangreiche Berufserfahrung in der öffentlichen Verwaltung sowie Privatwirtschaft von Malta. Er arbeitete zunächst in der Abteilung Wirtschaftsplanung im Büro des Premierministers (Malta) und war von 1996 bis 2006 der erste Direktor des maltesischen Wirtschaftsbüros in Brüssel – dem Büro der Malta Chamber of Commerce and Enterprise (maltesische Handels- und Unternehmenskammer) und der Malta Hotels and Restaurants Association (maltesischer Hotel- und Gaststättenverband). Außerdem war er Gastdozent an der Universität Boston (Campus Brüssel), Open University (Fernuniversität) und der Universität von Malta. Er hält häufig Vorlesungen am College of Europe in Brügge. Zu seinen Spezialgebieten gehören globale Governance im Bereich der Ernährungssicherheit, Landwirtschaft und Ernährungssicherheit, der Mittelmeerraum und Afrika südlich der Sahara.

CV / Vita schließen

Achim Spiller

Moderator
Vorsitzender / Wissenschaftlicher Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz (WBAE) | Universität Göttingen
CV / Vita anzeigen

CV / Vita

Prof. Dr. Achim Spiller ist seit 2000 Professor für „Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte“ am Department für Agrarökonomie und Rurale Entwicklung der Georg-August-Universität Göttingen. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Verbraucherverhalten, Nachhaltigkeitsmanagement, Tierschutz und Lieferkettenmanagement in der Agrar- und Ernährungswirtschaft. Achim Spiller hat mehr als 200 Beiträge für begutachtete wissenschaftliche Fachzeitschriften und zahlreiche Bücher, Beratungsberichte und politische Handlungsempfehlungen verfasst. Achim Spiller ist ordentliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Er ist seit Dezember 2020 Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft für „Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz“. Im Juli 2020 wurde er in die vom Bundeskabinett eingerichtete Zukunftskommission Landwirtschaft berufen. Seit 2019 ist er auf Einladung der ehemaligen Bundesministerin Mitglied im BMEL Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung („Borchert-Kommission“). Im FAZ-Ökonomenranking wurde Achim Spiller 2015, 2016, 2018, 2020 und 2021 jeweils als einer der 100 führenden deutschen Ökonomen ausgezeichnet. Achim Spiller ist Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats des „Tierwohllabels des Deutschen Tierschutzbundes“. Von 2014 bis 2016 war er auf persönliche Einladung des ehemaligen Bundesministers für Ernährung und Landwirtschaft Mitglied des Kompetenzkreises Tierwohl; von 2013 bis 2018 Mitglied im Kuratorium des QS-Systems, davon 4 Jahre als Vorsitzender.

CV / Vita schließen

Bettina Rudloff

Podiumsteilnehmer
Wissenschaftlerin / Stiftung für Wissenschaft und Politik (SWP)
CV / Vita anzeigen

CV / Vita

Dr. agr. Bettina Rudloff wurde an der Universität Bonn als Agrarökonomin promoviert, wo Sie auch Hochschulassistentin am Institut für Lebensmittel- und Ressourcenökonomik war. Am Europäischen Institut für öffentliche Verwaltung (EIPA), Maastricht, leitete sie Ausbildungsprogramme für die EU- Kommission für WTO-Verhandlungsführer aus Entwicklungsländern.

Derzeit forscht sie bei der Stiftung für Wissenschaft und Politik in Berlin (SWP) an der Nahtstelle von Handels- und Agrarpolitik und Außenpolitik etwa zu geo-strategischen Aspekten von Ernährungssicherheit und Handelspolitik. Sie ist u.a. Mitglied des strategischen Begleitkreises am BMZ zur Sonderinitiative „Transformation der Agrar- und Ernährungssysteme“ und des International Agricultural Trade Research Consortium (IATRC). Aktuell trug sie als externe Autorin zum jüngsten Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim BMEL (WBAE) zu unternehmerischen Sorgfaltspflichten im Agrar- und Ernährungssektor bei.

CV / Vita schließen

Johannes Graf von Keyserlingk

Podiumsteilnehmer
Leiter der Abteilung Soziale Verantwortung der Unternehmen / Handelsverband Deutschland (HDE)

Gunther Beger

Podiumsteilnehmer
Managing Director, Directorate for SDG Innovation and Economic Transformation / United Nations Industrial Development Organization (UNIDO)